Judentum in Borgholz
Seit Anfang des 17. Jahrhunderts lebten nachweislich Juden in Borgholz.
Erst zu Beginn des 19. Jahrhinderts wurde den Juden durch die westfälische Regierung die Gleichberechtigung (jüdische Emanzipation) zugesprochen. Gleichberechtigung bedeutete, dass die Juden zu gleichen Bedingungen wie die Christen das Bürgerrecht erwerben und an der Gemeindeverwaltung teilnehmen konnten. Die aktive Teilnahme an der Ratszugehörigkeit ließ aber in der Praxis auf sich warten.
Die Zahl der jüdischen Einwohner in Borgholz bewegte sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwischen 60 und 70. ln den 1850er Jahren erreichte sie ihren Höchststand. 1855 lebten 85 Personen hier. Dann ging ihre Zahl stetig zurück über 42 im Jahre 1890, 29 im Jahre 1895, 17 im Jahre 1905 bis zu zwölf im Jahre 1910.
Der Grund für den Rückgang dürfte in der Anziehungskraft der aufstrebenden großen Städte zu suchen sein. Wie sich viele junge christliche Borgholzer eine bessere Zukunft im Ruhrgebiet oder gar in Übersee erhofften, werden auch die Juden aus diesem Grund die kleine Landstadt verlassen haben, die ihnen keine Entfaltungsmöglichkeiten bot. Manchem der von den Juden ausgeübten Geschäftszweige hatten neue Entwicklungen die Grundlage entzogen
Bereits im Jahr 1820 wurden als Handelsmann eingetragen:
Simon Löwenstein, Calm Löwenstein und Beer Löwenstein; als Textilhändler arbeitet Coßman Löwenstein; Hökerhandel betrieben Abraham Buchthal, Mannes Alterstamm und Heinemann Rosenthal; Saloman Spiegelberg war Schlachter. Alle genannten waren zwar nicht reich, hatten aber ein ausreichendes Einkommen. Der Lumpensammler Moyses Himmelreich galt allerdings als sehr arm. Die Witwe Meyerhof lebte von Almosen.
Die Synagogengemeinde Borgholz von 1855 umfasste die Orte Borgholz, Borgentreich, Bühne, Körbecke, Lütgeneder, Manrode, Muddenhagen, Natzungen, Frohnhausen, Natingen, Auenhausen, Drankhausen und Hampenhausen.
Da die Zahl der Mitglieder immer mehr sank, geriet schließlich der Bestand der Gemeinde in Gefahr. Um 1910 gab es keinen Vorstand der Synagogengemeinde mehr. 1925 hieß es: Die jüdische Gemeinde Borgholz besteht nicht mehr, da nur 3 Familien, unter denen sich 4 männliche Personen befinden, vorhanden sind.
1901 besuchten die vier jüdischen Kinder aus Borgholz die katholische Schule, 1906 waren es nur noch zwei.
Die Integration der jüdischen Bürger in die Borgholzer Bevölkerung erfolgte bis 1932 reibungslos. Sie fühlten sie sich als Deutsche und wurden von der Umwelt in der Regel als solche auch anerkannt. Am Beispiel des Kaufmanns Albert Löwenstein wird es deutlich. Er war Schriftführer und Kassenwart der 1921 gegründeten Freiwilligen Feuerwehr und auch noch 1933 im Vorstand des Krieger- und Landwehrvereins Borgholz. Die Gemeinde Borgholz stellte 1927 ohne weiteres für den jüdischen Friedhof 200 Mark bereit.
Ab 1933 wurden die Juden dann von vielem ausgeschlossen und von September 1935 mit den „Nürnberger Gesetzen“ systematisch entrechtet und unterdrückt. Im Januar 1937 wurde schon in der Synagoge vandaliert mit erheblichen Schäden. Am 9. Und 10. November 1938 kam es zu größeren Ausschreitungen gegen die Juden und deren Synagoge in der so genannten „Reichskristallnacht“ auf Veranlassung der NSDAP, in Borgholz am hellen Tage. Zwei Angehörige der Amtsverwaltung suchten und fanden in Borgholz Freiwillige für das Vorhaben. Die Synagoge und die Häuser der Textilgeschäfte Löwenstein und Neustadt wurden verwüstet und in der Nacht geplündert.
Löwenstein und Neustadt waren gezwungen ihren Läden zu schließen und „verkauften“ ihre Läden ebenso Grundbesitz an christliche Borgholzer.
Am 10.12.1941 wurden auf Geheiß der Staatspolizeileitstelle Münster die Borgholzer Familie Löwenstein (Albert Löwenstein (geb. 22.Februar 1889 in Borgholz), seine Frau Hildegart geb. Stamfort (geb. 10. März 1903 in Stemmen) und ihr Sohn Edgar (geb. 30. August 1934 in Borgholz) und der in Natzungen lebende (geb. am 28, Februar 1873 in Borgholz) Siegmund) mit dem Lastwagen nach Bielefeld abtransportiert und von dort mit dem Zug nach Riga deportiert.
Der Witwer Siegmund Neustadt (geb. am 17. März 1865 in Natzungen) und seine 1894 in Borgholz geborene, in Natzungen lebende Tochter Emmy wurden am 8. Juli 1942 deportiert. Siegmund Neustadt wurde am 24. September 1942 in Theresienstadt ermordet.
Im Jahr 1939 wurde die Synagoge samt Grundstück verkauft und diente in den folgenden Jahrzehnten als Abstellraum und Garage. Am 15. März 1994 traf der Stadtrat die Entscheidung, die Synagoge an ihrem ursprünglichen Standort zu belassen und umfassend zu restaurieren.
Da die Gräber nach jüdischer Tradition nicht geräumt und wieder belegt werden, sind dort heute noch sehr alte Grabstätte erhalten.